Ein Abend mit Staiger. Eindrücke.

Querfeldein – Marcus Staiger / Ribingurūmu / Freitag 23.05.`14

Marcus Staiger bei der Lesung im Wohnzimmer. Picture by Querfeldein

Markus Staiger. Foto: Gregor Teichmann

Die wichtigsten Erkenntnisse vielleicht gleich vorweg: entgegen anderer Aussagen hat Staiger NICHT Kool Savas entdeckt! Und Olli Banjo wäre gern ein Promiskeeper!

Vergangenen Freitag war es wieder soweit: ‚Querfeldein’ hielt Hof im Wohnzimmer. Mitgebracht hatten sie jemanden für mich Besonderen. Staiger. Wer? Marcus Staiger. Eine schillernde und polarisierende doch vor allem eine prägende Figur der deutschen HipHop-Szene.

Für die weniger Deutschrap affinen Menschen unter unseren Lesern ein kurzer Überblick seines bisherigen Wirkens. Von der schwäbischen Provinz gekommen, gründete Staiger 2000 in Berlin das inzwischen (szeneintern) legendäre Independent-Label ‚Royal Bunker’. Der Name bezog sich auf einen zuvor geschlossenen gleichnamigen Club mit Open-Mic-Sessions bei denen sich Berliner Rapper zum Freestyle und Battle trafen. Unter ihnen bereits spätere Größen wie Kool Savas und Sido. Über ‚Royal Bunker’ veröffentlichten Rapper wie Kool Savas, Eko Fresh, Prinz Porno (heute bekannt als Prinz PI) oder Kay One ihre ersten Alben und legten so den Grundstein für ihren späteren kommerziellen Erfolg. 2009 veröffentliche das Label mit „Sexismus gegen Rechts“ von K.I.Z. ihr letztes Album und schloss seine Tore. Bis dahin konnte es sich jedoch für einige sehr wichtige Veröffentlichungen verantwortlich zeichnen und hat so einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass Berlin auf der deutschen Rap-Landkarte landete und bis heute dort einen wichtigen Platz einnimmt.

Als es den ‚Royal Bunker’ nicht mehr gab, dauerte es nicht lang und Staiger machte als Chefredakteur (rap.de), Journalist und Kolumnist (FAZ, ZeitOnline, VICE, Juice) auf sich aufmerksam. Außerdem ist er industrieller Fassadenkletterer und hat auch schon bei der Post gearbeitet. Ein Tausendsassa.

Nachdem er bereits als Koautor bei Bushidos (Integrations-)Buch „Auch wir sind Deutschland“ mitwirkte, veröffentliche er nun mit „Die Hoffung ist ein Hundesohn“ sein Erstlingswerk. Einen Roman. Nun ja. Zwar ist der Handlungsrahmen dystopisch, doch haben die Protagonisten oft eine verblüffende Ähnlichkeit mit real existierenden Personen des mehr oder weniger öffentlichen Lebens.

Wegen eben diesem Debutroman war er am Freitag im Wohnzimmer. Eine Lese-, eine Promotiontour. Toll! Aber wenn Staiger mal nach Tübingen kommt geht man da als Deutschrap-Fan eben hin.

Der Einstieg ist locker. Er beginnt zu früh (!) und macht zunächst ein paar Bemerkungen zur schlechten Soundqualität. Dann bemängelt er keinen Mikrofonständer zu haben. Er entschuldigt sich im Voraus: falls ihm mal das Mikrofon entgleiten sollte liege es daran dass er heute den Bizeps trainiert habe. Und natürlich hat er keinen Salat gegessen, denn davon schrumpft der Bizeps ja bekanntlich. Nach diesem für mich erfreulichen Einstieg, liest er etwas aus seinem Traumtagebuch vor. Ja, Staiger schreibt Traumtagebuch (Nach eigener Aussage hat er auch ein inneres Krafttier!). Weil er gelesen hat, dass Isabel Allende das auch tut. Deren Bücher er aber nicht gelesen hat. Hä? In dem beschriebenen Traum verarbeitet er die Nervosität vor der ersten Lesung in Berlin. Merkwürdig, wie es nun auch der Moderator anmerkt. Komischer Anfang. Aber interessant. Zumindest interessanter als zunächst befürchtet. Vor allem aber weitaus lockerer.

Und so wird auch der restliche Abend sein. Staiger ist sehr unterhaltsam bis echt witzig. Der Moderator meistens treffend, manchmal ungewollt witzig („Wie viel von dem Protagonisten Stefan steckt in dir?“). Wenn Staiger über HipHop spricht, Videos kommentiert und Anekdoten erzählt (z.B. dass Jack Orsen, der Rap-Roboter aus der Zukunft, erst bei einem zufälligen Blick auf sein Ausweis herausgefunden hat, dass sein Name Nikolas und nicht Nikola ist. Oder siehe Zeile 1-2) erlebe ich meine persönlichen Highlights des Abends. Wenn er liest ist es manchmal interessant und unterhaltsam, manchmal merkwürdig und manchmal (vor allem gegen Ende) zu lang. Dies wird wohl der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass es doch eine Promotiontour für das neue Buch war.

Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden als ich das Wohnzimmer verlasse. Ein gelungener Abend. Für mich als Deutschrap-Fan aber wahrscheinlich auch für den Laien, denn der Witz und das Charisma des Herrn Staiger werden bestimmt auch ihn unterhalten haben. Ob es ein Abend der großen Literatur war? Lassen Sie es mich so sagen: ich habe mir „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ nicht gekauft. Noch nicht. Ein Sommerurlaub steht noch bevor. Wer weiß.

Für die Veranstaltung vergebe ich neun von zehn Hundesöhnen.

http://www.verein-querfeldein.de/wordpress/project/marcus-staiger/

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